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Grünlippmuscheln zur Vorbeugung von Gelenkerkrankungen?

Stand:
Die Werbung verspricht mehr, als sie halten kann. Vorliegende Studien zu Grünlippmuschelprodukten überzeugen nicht.
Grünlippmuscheln Grünschalmuschel Perna canaliculus

Das Wichtigste in Kürze:
Wirkung nicht bewiesen

  • Grünlippmuschelprodukte sind schon jahrzehntelang auf dem Markt und sollen gegen Gelenkentzündungen, Arthrose und vieles mehr helfen.
  • Es fehlen jedoch Studien, die wissenschaftlich abgesicherte Belege für die behaupteten Wirkungen liefern. Die EU-Kommission hat daher keine gesundheitsbezogenen Aussagen für Nahrungsergänzungsmittel mit Grünlippmuscheln zugelassen.
  • Grünlippmuschelprodukte können mit Algengiften belastet sein und sollten bei einer Fischallergie gemieden werden.
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Was steckt hinter der Werbung zu Grünlippmuscheln?

In Neuseeland sollen die Maori, also die Ureinwohner, „seit über 6000 Jahren“ vor Rheuma, Arthritis und sonstigen Erkrankungen geschützt sein, weil sie Grünlippmuscheln verzehren - so zumindest die Legende. Laut Anbieterwerbung sind daher die Grünlippmuschel-Kapseln, -Tabletten und -Pulver geeignet, Schmerzen bei entzündlichen Gelenkerkrankungen zu lindern oder sogar prophylaktisch gegen Gelenkbeschwerden von Sportler:innen und Gelenkverschleiß zu wirken. Auch sollen sie positive Wirkungen bei Asthma-Patienten zeigen und darüber hinaus das Bindegewebe und die Haut stärken.

Teilweise wird auch mit einer „umweltschonenden Züchtung“ der Muscheln auf „zertifizierten Farmen“ geworben.

So sieht die Wirklichkeit aus: Auch wenn die Maori die Grünlippmuschel angeblich seit ewigen Zeiten zur Vorbeugung und Heilung von Krankheiten nutzen – der hohe Verzehr der Muscheln lässt sich nicht mit der Einnahme von Muschel-Pulvern und –Extrakten in Kapseln mit 0,5 bis 2 Gramm-Dosierungen vergleichen. Darüber hinaus zeigen Gesundheitserhebungen der neuseeländischen Regierung, dass erwachsene Maori in Bezug auf chronische Erkrankungen wie Arthritis sogar schlechter abschneiden im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen.

Die wenigen vorliegenden Studien mit Grünlippmuschelextrakt zur Vorbeugung von Gelenkbeschwerden gelten als wissenschaftlich nicht überzeugend: Sie sind meist von schlechter Qualität, haben eine niedrige Teilnehmerzahl und liefern widersprüchliche Ergebnisse. Die verwendeten Dosierungen und Extrakte unterscheiden sich. Auch eine Wirksamkeit zur Vorbeugung von Muskelschmerzen bzw. Muskelkater konnte nicht belegt werden.

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) lehnte daher verschiedene von Anbietern beantragte gesundheitsbezogene Angaben (Health Claims) für Grünlippmuschel-Extrakte ab. Sie hatte aufgrund der vorgelegten Studien keinen Wirkzusammenhang zwischen der Einnahme von Grünlippmuschelpulvern oder Extrakten daraus und dem Erhalt von gesunden Gelenken und Knochen erkennen können. Auch die Natural Standard Research Collaboration, ein Zusammenschluss von unabhängigen Forschenden, die sich um wissenschaftliche (evidenzbasierte) Analysen bemüht (ähnlich der Cochrane Collaboration), sieht ebenfalls keine stichhaltigen Belege für eine positive Wirkung bei Patient:innen mit rheumatoider Arthritis.

Während Nahrungsergänzungen mit Grünlippmuschel schon seit einigen Jahren vermarktet werden, gibt es bisher kein zugelassenes Arzneimittel auf dem Markt, das Inhaltsstoffe dieser Muschel enthält. Für Nahrungsergänzungsmittel wird, im Gegensatz zu Arzneimitteln, keine behördliche Zulassung benötigt, um sie auf den Markt zu bringen und es müssen keine Wirksamkeits- und Sicherheitsnachweise vorgelegt werden. Krankheitsbezogene Aussagen zu Grünlippmuschel-Produkten sind gänzlich verboten.

Auf was sollte ich bei der Verwendung von Grünlippmuschel-Produkten achten?

Grünlippmuscheln können mit verschiedenen Algentoxinen (giftigen Stoffwechselprodukten von Meeresalgen) belastet sein - auch wenn sie in Aquakulturen (im Meer) gezüchtet werden. Wenn Sie Grünlippmuschel-Produkte probieren möchten, sollten Sie sich Laboranalysen vorlegen lassen. Diese sollten möglichst von einem deutschen Labor sein und eine geringe oder am besten gar keine Belastung der Rohware mit Algentoxinen, Schwermetallen und Pestiziden belegen. Muscheln filtern nämlich Nährstoffe und Algen aus dem sie umgebenden Wasser und können so - je nach Umgebung - auch Schadstoffe anreichern. Seriöse Firmen werden das gerne tun. Bei Problemen mit der Interpretation der Analysen hilft man Ihnen sicherlich in Ihrer Apotheke.

Befindet sich der Sitz des Herstellers in Deutschland, können Sie auch bei der dort zuständigen Lebensmittelüberwachung eine Anfrage nach dem Verbraucherinformationsgesetz stellen. Fragen Sie, ob das betreffende Produkt auf Algentoxine und Schwermetalle geprüft wurde und mit welchem Ergebnis.

Tipps:

  • Welche Art der Therapie gegen Ihre Gelenkbeschwerden oder zur Vorbeugung sinnvoll ist, sollten Sie im Arztgespräch klären.
  • Den Beschwerden angepasste Bewegung, eine fleischarme, pflanzenbetonte Ernährung und der Abbau von Übergewicht können die Therapie grundsätzlich unterstützen.
  • Statt für teure, aber nutzlose Nahrungsergänzungsmittel geben Sie das Geld lieber für qualitativ hochwertige Öle mit reichlich Omega-3-Fettsäuren (Lein-, Walnuss- und Rapsöl), für Nüsse oder für 1 – 2 Seefischmahlzeiten pro Woche aus.

Was sind Grünlippmuschel-Produkte?

Die Kapseln, Tabletten oder das Pulver enthalten gefriergetrocknetes pulverisiertes Muschelfleisch (meist 500 mg pro Kapsel) oder Extrakte aus der Grünschalmuschel (Perna canaliculus). Diese Miesmuschelart wird auch Grünlippmuschel genannt. Sie ist in den Gewässern um Neuseeland beheimatet und wird dort auch im großen Maßstab in Aquakulturen gezüchtet.

Die Grünlippmuschel-Produkte enthalten keine definierten, standardisierten Extrakte. Dies wurde ebenfalls von der EFSA (siehe oben zum Thema "gesundheitsbezogene Angaben") bemängelt. Jedoch sind Studiennachweise für jedes einzelne Produkt mit seinem speziellen Extrakt, Voraussetzung für eine positive Bewertung durch die EFSA. Nur dann darf mit einer bestimmten Wirksamkeit geworben werden. Handelt es sich um Kombinationen mit anderen, in ihrer Zusammensetzung meist ebenfalls nicht einheitlichen Stoffen, wie Curcumin, Glucosamin, Haifischflossenextrakt, Hyaluronsäure, Weihrauch usw., wären plausible Wirksamkeitsstudien für jedes Produkt nötig.

Welche Inhaltsstoffe sind in Grünlippmuscheln enthalten?

Die Muscheln enthalten Glykosaminoglykane wie Chondroitin, Kohlenhydrate, Mineralstoffe, Vitamine, Aminosäuren sowie Fette, Omega-3-Fettsäuren, wie sie auch im Fischöl vorkommen, und Cholesterin. Die Muscheln können in ihrer Zusammensetzung stark variieren, was wiederum eine mögliche Wirkung beeinflussen würde. Bei Glykosaminoglykanen handelt es sich um langkettige Aminozuckerverbindungen, die auch in der Gelenkflüssigkeit vorkommen.

 

Zum Weiterlesen:

Das Geschäft mit den Gelenken (nicht barrierefrei)

Nahrungsergänzungsmittel für den Bewegungsapparat

 

Quellen:


Hinneberg I (2022): Grünlippmuschel gegen Arthrose: Nutzen nicht belegt. Medizin transparent, Stand: 27.07.2022  (abgerufen am 24.07.2023)

Hinneberg I (2022): Rheuma: Helfen mit Mittel mit Grünlippmuschel? Medizin transparent, Stand: 13.06.2022  (abgerufen am 24.07.2023)

EFSA Panel on Dietetic Products, Nutrition and Allergies (2009): Scientific Opinion on the substantiation of health claims related to green lipped mussel extract and maintenance of joints, bone and muscles (ID 1571, 1813) pursuant to Article 13(1) of Regulation (EC) No 1924/2006. EFSA Journal 7 (9): 1265 (abgerufen am 24.07.2023)

Ministry of Health (2012): The Health of New Zealand Adults 2011/12: Key findings of the New Zealand Health Survey. Wellington, page 76: Higher rates of arthritis in Maori men, abgerufen am 23.06.2021

Grienke U et al. (2014): Bioactive compounds from marine mussels and their effects on human health (Review). Food Chemistry 142: 48–60

Ulbricht C et al (2009): An evidence-based systematic review of green-lipped mussel (Perna canaliculus) by the Natural Standard Research Collaboration. J Diet Suppl. 6(1): 54-90, abgerufen am 24.07.2023

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