Dr. Algo vs. Dr. House
Vielleicht erinnern Sie sich noch: In den 2000ern rumpelte Dr. House durch die TV-Krankenhausflure und stellte schlecht gelaunte, aber geniale Diagnosen. Dass er nicht gefeuert wurde, verdankte er seiner Brillanz. Und seiner Bilanz. Er verknüpfte Punkte und Daten, die sonst keiner kombinierte. Sein unfreundliches Verhalten brachte ihn immer wieder in Konflikt mit der Krankenhausleitung.
Nur wenige Jahre nach dem Absetzen der TV-Serie könnte man behaupten, dass Dr. House tatsächlich der Vergangenheit angehört. Kein Krankenhaus der Welt müsste heute einen grantigen und zynischen Arzt tolerieren, nur weil er besonders knifflige Diagnosen stellen kann. Denn das erledigen heute mittlerweile Computer.
Algorithmen lesen riesige Mengen an Patientendaten aus
Algorithmen können einiges und manches davon besser als Ärzte. Das liegt daran, dass die eingesetzten Algorithmen häufig selbstlernende Systeme sind, die man mit einem riesigen Paket an Patientendaten füttern kann. Eine vergleichbare Menge an Daten könnte kein Mensch verarbeiten. Deshalb können Algorithmen Muster erkennen, die Menschen verborgen bleiben. Für die Medizin bedeutet das: Ein Algorithmus kann Wahrscheinlichkeiten erkennen und berechnen, von denen ein Arzt vielleicht nicht einmal weiß, dass es sie gibt.
Algorithmus rettet Herzinfarkt-Patienten
Ein Beispiel: Bei einem Herzinfarkt zählt jede Minute. Je länger das Herz nach einem Infarkt ohne Sauerstoff bleibt, desto größer ist die Gefahr, zu sterben. Das bedeutet umgekehrt auch: Je früher man einen sich anbahnenden Infarkt erkennt, desto höher sind die Überlebenschancen. Deshalb werden Risikopatienten in Krankenhäusern von Medizintechnik überwacht, die bei Kammerflimmern oder einem Infarkt im Anfangsstadium Alarm schlägt. Und trotzdem kann so nicht jeder Infarkt verhindert werden. In den U.S.A. erleiden bis zu 400.000 Menschen jährlich einen Herzinfarkt, obwohl sie sich bereits in einem Krankenhaus befinden.1
In einem Krankenhaus nördlich von Detroit hat ein Algorithmus die Sterberate unter den Herzpatienten innerhalb von vier Jahren auf ein Drittel reduziert. Die neue Software überwacht den Blutdruck, Puls, Temperatur sowie Herz- und Atemfrequenz. Daran ist an sich noch nichts neu. Das neue System betrachtet – anders als bisherige Technik - aber nicht nur die einzelnen Werte, sondern auch ihr Zusammenspiel. Während früher der Alarm anschlug, wenn ein Wert signifikant aus der Reihe fiel, warnt das neue System die Ärzte schon deutlich früher: Nämlich dann, wenn sich bei mehreren Werten gleichzeitig Veränderungen ergeben, auch wenn die Schwankungen nur geringfügig sind. Eine computerbasierte Auswertung von 20.000 Patientendaten hatte im Vorfeld ergeben, dass schon einige Stunden vor dem lebensbedrohlichen Ereignis solche Muster in den Gesundheitswerten erkennbar sind.2
Auch in Deutschland und den Niederlanden wird an der auf Algorithmen basierten Prävention von Herzerkrankungen geforscht. Ziel: Eine Smartphone-App, die Herzrhytmusstörungen erkennen kann. Dazu werden die Blutgefäße regelmäßig mit dem Licht des eigenen Smartphones durchleuchtet.3