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"Klimaneutrale" Produkte: Nachhaltig sinnvoll oder cleveres Marketing?

Stand:
Aussagen wie "klimaneutral" oder gar "klimapositiv" sind vor allem cleveres Marketing. Warum solche Produkte für das Klima keine Lösung sind und was Sie stattdessen tun können.
Paket mit Co2-Neutral darauf gedruckt

Das Wichtigste in Kürze:

  • Der CO2-Ausgleich durch sogenannte Minderungszertifikate ist intransparent und bringt wenig für den internationalen Klimaschutz.
  • Um Ihren eigenen Konsum klimafreundlicher zu gestalten, können Sie auf bewährte Strategien setzen - wie Energiesparen, umweltfreundliches Reisen, lange Nutzung von Produkten und eine regionale und saisonale Ernährung.
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"Klimaneutral hergestellt", "klimaneutral durch CO2-Kompensation", schlicht "klimaneutral" oder gar "klimapositiv": Im Handel finden sich immer mehr Produkte, die mit Aussagen zur Klimaneutralität werben. Wie eine Befragung der Verbraucherzentrale NRW zeigt, erwarten die meisten Verbraucher:innen bei diesen Aussagen eine klimaschonende Herstellung oder Verpflichtungen der Hersteller zur Reduktion und Vermeidung von CO2. Tatsächlich bedeutet "klimaneutral" aber, dass für das in Frage stehende Produkt eine CO2-Bilanz erstellt und zum Ausgleich Minderungszertifikate aus weltweiten Klimaschutzprojekten gekauft wurden. Doch wie funktioniert CO2-Ausgleich (auch "Kompensation" genannt) eigentlich genau? Sind "klimaneutrale" Produkte eine gute Lösung für den Klimaschutz? Ist es sinnvoll, als Verbraucher:in auf die Bezeichnung "klimaneutral" zu achten? Und falls nicht – was kann man stattdessen tun?

Das steckt hinter der Bezeichnung "klimaneutral"

Die Idee, Treibhausgase zu kompensieren, entstand in den 1980er-Jahren, als die Politik begann darüber nachzudenken, wie der Klimawandel aufgehalten werden kann. Der Grundgedanke war, dass es für das Klima egal ist, wo auf der Erde CO2 eingespart wird. Ob klimaschädliche Treibhausgase reduziert werden, weil z. B. eine Firma in Deutschland weniger Öl verbrennt oder weil in Nigeria weniger Holz verbrannt wird, macht demnach keinen Unterschied. Ziel war es, Ländern und Firmen aus wohlhabenden Industrieländern die Finanzierung von Klimaschutzprojekten zu ermöglichen, um Emissionen auszugleichen, die sie selbst (noch) nicht verringern können. Damit wurde die Hoffnung verbunden, dass Klimaschutz wirtschaftlich effizient umgesetzt werden kann. 

Möglich wurde CO2-Kompensation durch einen internationalen Handel mit Minderungszertifikaten. Dafür wird die Menge an CO2-Einsparungen, die ein Klimaschutzprojekt vermeintlich bewirkt hat, in einer Datenbank festgehalten. Unternehmen, die die Treibhausgasbilanz ihrer Produkte kompensieren wollen, kaufen in entsprechender Menge Zertifikate, die dann aus der Datenbank gelöscht werden. Typische Klimaschutzprojekte sind beispielsweise die Aufforstung von Wäldern, der Schutz von Baumbestand vor Abholzung, die Verteilung von effizienten Kochgeräten an Menschen, die bisher über offenem Holzfeuer kochten oder die Installierung von Wind-, Wasserkraft- oder Biogas-Anlagen.

Funktioniert der CO2-Ausgleich wirklich?

Bäume pflanzen und Windräder bauen – das klingt zunächst nach einer ziemlich guten Sache. Praktisch trägt der Handel mit CO2-Zertifikaten in den meisten Fällen jedoch nicht zum Klimaschutz bei. Dafür gibt es drei Gründe:

  1. Der CO2-Ausgleich beruht auf fragwürdigen Berechnungen: Bei der Kompensation wird so getan, als könnten CO2-Emissionen westlicher Unternehmen 1:1 mit CO2-Einsparungen aus Klimaschutzprojekten verrechnet werden. Um CO2-Einsparungen aber überhaupt berechnen zu können, müssen fiktive „Was wäre wenn“-Szenarien erstellt werden. Die dafür getroffenen Annahmen sind zum Teil unrealistisch und oft auch nicht überprüfbar: So wird zum Beispiel bei der Aufforstung von Wäldern oft angenommen, dass die Wälder dauerhaft stehen bleiben – sie können jedoch abbrennen oder abgeholzt werden. Beim Schutz bedrohter Waldgebiete besteht die Gefahr, dass anstelle des geschützten Gebiets einfach an anderer Stelle abgeholzt wird. Und bei Erneuerbare Energie-Projekten ist oft unklar, ob sie tatsächlich zusätzlichen Klimaschutz leisten, oder ob das Projekt nicht ohnehin durch den Verkauf von Strom oder Gas realisiert worden wäre. In solchen Fällen können reine Mitnahmeeffekte ohne Wirkung für das Klima entstehen. Studien zeigen, dass die Mehrheit der Kompensationsprojekte nicht die CO2-Reduktionen erbringen, die sie versprechen. Ein weiteres Problem sind Doppelzählungen – sie entstehen wenn z.B. sowohl das Land, in dem ein Klimaschutzprojekt umgesetzt wurde und ein Unternehmen, das Ausgleichszertifikate aus dem Projekt kauft die CO2-Minderungen für sich beanspruchen. Unter dem Pariser Klimaschutzabkommen hat sich diese Problematik verschärft und es gibt bislang keine verbindliche internationale Vereinbarung, die solche Doppelzählungen verlässlich ausschließt.
  2. Der CO2-Ausgleich ist intransparent: Sicher gibt es auch gute Klimaschutzprojekte. Verbraucher:innen ist es jedoch kaum möglich, diese ausfindig zu machen, da sie die Qualität der Zertifikate hinter einem bestimmten "klimaneutralen" Produkt in aller Regel nicht beurteilen können. Die Anbieter verweisen oft auf Qualitätsstandards wie z. B. den "Gold Standard‘"oder den "Verified Carbon Standard" sowie auf externe Prüfagenturen – allerdings ist der gesamte Zertifikatehandel rein privatwirtschaftlich organisiert. Neutrale Bewertungen werden aufgrund finanzieller Interessenskonflikte erschwert, und eine Überprüfung durch unabhängige Stellen gibt es nicht. Dass es auch bei Projekten unter den vermeintlich guten Qualitätsstandards hohe Risiken gibt, dass CO2-Einsparungen überschätzt werden zeigt ein Tool der Carbon Credit Quality Initiative (CCQI), die unabhängiges Expertenwissen zur Bewertung der Qualität von CO2-Zertifikaten bereitstellt. Das Tool ist allerdings nur mit Vorwissen sinnvoll nutzbar.
  3. Der CO2-Ausgleich setzt falsche Anreize: Der Zertifikatekauf ist für Unternehmen bequem und kostengünstig und die Aussage "klimaneutral" eignet sich gut, um die eigenen Produkte als nachhaltig darzustellen. Viel wichtiger für den globalen Klimaschutz ist laut Experten jedoch, dass Unternehmen den CO2-Ausstoß in den eigenen Betriebsabläufen und beim Bezug von Rohstoffen vermeiden und reduzieren. Das ist aber meist sehr viel mühsamer, kostspieliger und im Marketing schlechter darstellbar. Somit gibt der CO2-Zertifikatehandel den Unternehmen Anreize, ganz oder größtenteils auf CO2-Ausgleich zu setzen und die mühsame, aber deutlich wichtigere Reduktion von eigenem CO2-Ausstoß zu vernachlässigen. Auf Seiten der Verbraucher:innen kann das "klimaneutral"-Versprechen dazu führen, dass der Konsum klimaschädlicher Produkte fortgesetzt wird – in vollem Vertrauen darauf, dass die Produkte keinen Schaden anrichten.

Fazit: Es ist äußerst fragwürdig, ob ein CO2-Ausgleich überhaupt einen Beitrag zum Klimaschutz leistet. Vielmehr besteht die Gefahr, dass die Möglichkeit zur Kompensation ablenkt von der konsequenten und dringend nötigen Vermeidung und Reduktion von Treibhausgasen in den Industrieländern. Die Verbraucherzentralen fordern daher ein generelles Verbot der Werbung mit "Klimaneutralität" für Produkte, Dienstleistungen und Unternehmen.

Sollte ich "klimaneutrale" Produkte kaufen?

Lassen Sie sich nicht in die Irre führen: Aussagen wie "klimaneutral" oder gar "klimapositiv" auf Produkten sind vor allem cleveres Marketing. Das Herstellerunternehmen zahlt eine kleine Summe an Klimaschutzprojekte – doch der Beitrag dieser Projekte zur CO2-Reduktion ist in vielen Fällen fragwürdig und die Qualität der Zertifikate im Einzelfall kaum überprüfbar. "klimaneutral" bedeutet zudem nicht, dass das Produkt klimafreundlich hergestellt wurde.

Angesichts der zahlreichen Probleme des CO2-Zertifikatehandels ist festzuhalten, dass die Idee der CO2-Kompensation für Produkte, Unternehmen oder auch des eigenen Lebensstils nicht funktioniert. Da inzwischen viele Produkte als "klimaneutral" daherkommen werden Sie den Kauf nicht immer vermeiden können – doch "klimaneutral" sollte zumindest kein Kaufgrund für Sie sein.

Podcast zum Greenwashing bei Lebensmitteln

Ich möchte persönlich etwas für den Klimaschutz tun – wie geht das am besten?

Um das Klima wirksam zu schützen, muss der CO2-Ausstoß in allen Ländern dringend reduziert werden – vor allem aber in Industrieländern wie Deutschland. Setzen Sie daher auf bewährte Strategien, um den CO2-Fußabdruck Ihres Konsums zu reduzieren:

Das reicht Ihnen noch nicht? So setzen Sie sich für den Wandel zu einer klimafreundlichen und nachhaltigen Gesellschaft ein!

  • Engagieren Sie sich gemeinsam mit anderen für einen klimafreundlichen und ressourcenschonenden Konsum, z. B. in Reparatur-Cafés, Gemeinschaftsgärten oder Foodsharing-Initiativen.
  • Vergrößern Sie Ihren ökologischen "Handabdruck", indem Sie sich politisch für nachhaltigen Wandel einsetzen. Ideen dafür finden Sie unter www.germanwatch.org.

 

Studie zu Greenwashing: Nachhaltigkeitswerbung oft irreführend

„CO-2-kompensierter Erdbeerjoghurt“, „klimaneutrale Milch“ oder „klima-positiver Babybrei“: Grüne Werbeclaims auf Lebensmitteln haben erhebliches Greenwashing- Potenzial. Das belegt eine Studie des Projekts Lebensmittelklarheit.Warum der nicht-regulierte Siegeldschungel Verbraucher:innen in die Irre führt und wie ein „Siegel-Check“ helfen könnte, können Sie beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) nachlesen.

 

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